Wasser-Wissen

Denitrifikation

(denitrification) Der Abbau von Nitrat zu molekularem Stickstoff durch spezielle Mikroorganismen (Denitrifikanten). Das Verfahren wird technisch u.a. in der biologischen Abwasserreinigung als Folgeschritt nach der Nitrifikation für den Abbau von Stickstoffverbindungen genutzt. Es tritt aber auch in der Umwelt im natürlichen Stickstoffkreislauf auf.

Da die Redox-Potenziale aller Einzelschritte, die bei der Denitrifikation ablaufen, positiv sind, können Denitrifikanten Nitrat als Elektronenakzeptor (Oxidationsmittel) für ihren oxidativen Energiestoffwechsel (oxidative Phosphorylierung) nutzen, wenn kein oder nur begrenzt gelöster molekularer Sauerstoff (O2) verfügbar ist (anoxische beziehungsweise hypoxische Verhältnisse).

Unter Denitrifikation wird die Fähigkeit von Mikroorganismen verstanden, selektiv Nitrat durch enzymatische Aktivitäten zu molekularem Stickstoff zu reduzieren (abzubauen). Dieser Prozess findet nur statt, wenn kein frei gelöster Sauerstoff im Wasser vorhanden ist, also anoxische Bedingungen vorliegen. Die Denitrifikation ist der einzige biologisch bekannte Prozess, durch den anorganische Stickstoffverbindungen zu Stickstoffgas umgesetzt und letztlich wieder in den Stickstoffkreislauf der Atmosphäre, zurückgeführt werden können. Wie bei der Nitrifikation sind auch bei der Denitrifikation verschiedene bakterielle Enzyme beteiligt. Im Unterschied zur Nitrifikation kann die Denitrifikation von einem einzigen Organismusstamm durchgeführt werden, die als Denitrifikanten bezeichnet werden.

Technische Grundlagen

Die Ausnutzung des biologischen Potentials zur Stickstoffreduzierung bzw. -eliminierung auf Kläranlagen durch mikrobielle Tätigkeit wird durch unterschiedliche technische Verfahren realisiert. Durch die Abwasserverordnung ist ein Stickstoffabbau bei Anlagen der Größenklasse 3 (über 100.000 Einwohnergleichwerte) vorgesehen, der als Grenzwert 13 mg Gesamtstickstoff pro Liter gereinigtem Wasser festlegt. Dies bedeutet, dass neu gebaute Kläranlagen eine gezielte Denitrifikation in die Abwasserreinigung einbeziehen und Altanlagen, die diese Vorgaben und Anforderungen nicht erfüllen, mit einer Denitrifikationsstufe nachgerüstet wurden bzw. noch werden. Als Fläche zur Immobilisation der Mikroorganismen im Kläranlagenbereich dienen z.B. bereits vorhandene Schlammflocken oder spezielle feste Aufwuchsträger.

Der Abbau von Nitrat und Verbindungen des Kohlenstoffs unterliegt dabei einer Diffusioskontrolle bzw. -limitierung. Für die abzubauenden Moleküle bedeutet dies, dass sie erst die Grenzschichten in Richtung des Biofilms durchwandern müssen, um durch die in der Bakterien-Zellwand eingelagerten Enzym abgebaut zu werden. Der Transport wird dabei durch das Konzentrationsgefälle der diffundierenden Teilchen gesteuert, d.h. je höher die Nitratkonzentration im Abwasser ist, desto schneller gelangen die Ionen zum Abbau in den Biofilm. Andererseits folgt daraus, dass bei geringeren Konzentrationen der Abbau immer langsamer erfolgt, da die treibende Kraft, das Konzentrationsgefälle, kleiner wird. Technisch folgt daraus die Forderung, dass eine möglichst turbulente Strömung um die Biofilme herrschen sollte, damit der physikalische Stofftransport begünstigt wird. Darüber hinaus sollte die Stickstoffelimination möglichst frühzeitig am Ort der Emission bei hohen Konzentrationen erfolgen. Desweiteren erleichtern auch große Austauschflächen die Abbauleistung des Reaktors. Eine vollständige Durchmischung des Abwassers ist aber praktisch nicht möglich. Dies liegt wiederum an der Struktur der von den Mikroorganismen gebildeten Biofilme. Durch die ungleichmäßige Morphologie sind sogenannte Toträume nicht zu vermeiden. In ihnen ist der Austausch, bzw. die Durchmischung des Abwassers nicht mehr gewährleistet und somit die Versorgung der Mikroorganismen mit abbaubaren Kohlenstoff und Nitrat nicht gegeben. 

Denitrifikanten benötigen für den Abbau des Nitrats zu Distickstoff organisch gebundenen Kohlenstoff, der als Elektronenspender dient. Diese Beziehung gibt das Verhältnis von BSB5-Wert zur Nitrat-Konzentration wieder, das bei der Denitrifikation nach Erfahrungswerten idealerweise ca. 4:1 beträgt. Bei kommunalem Abwasser beträgt das Verhältnis von BSB5 zu CSB ungefähr 0,65-1. Wenn sich zu wenig gelöster organischer Kohlenstoff im Abwasser befindet, also bei niedrigem BSB5-Werten, kann der Abbauweg auf einer der Zwischenstufen enden (dead end-Produkte). In diesem Fall kann sich Nitrit oder Distickstoffoxid anhäufen. Da dies nicht erwünscht ist, muss für die Denitrifikanten immer genug Kohlenstoff vorhanden sein. Für die Denitrifikation werden i.d.R. drei Verfahren in der Abwasserreinigung angewandt:

Vorgeschaltete Denitrifikation

Ammoniumverbindungen gelangen vom Zulauf der Kläranlage unverändert durch die Denitrifikationsstufe in die nachfolgende Nitrifikation. Erst dort werden diese Verbindungen unter aeroben Bedingungen in Nitrat umgewandelt und wieder in den Zulauf der Denitrifikation zurückgeführt. Die vorgeschaltete Denitrifikation findet meist in Form von großvolumigen Klärbecken ihre Anwendung. So lassen sich z. B. ungenutzte Vorklärbecken zu Denitrifikationsstufen umrüsten. Ein Vorteil dieses Konzeptes liegt darin, dass durch die Nutzung der Oxidationswirkung des Nitrat-Stickstoffs bereits hier in der Kläranlage ein biologischer Abbau von organischen Kohlenstoffverbindungen (BSB5-Wert) stattfindet. Eine zusätzliche Zugabe von Kohlenstoffquellen zum Nitratabbau ist, im Gegensatz zur nachgeschalteten Denitrifikation, damit nicht notwendig. In der anschließenden Nitrifikationsstufe ist aufgrund dieses Sachverhalts ein verminderter Sauerstoffbedarf vorhanden, da der BSB-Wert in der Denitrifikationsstufe schon reduziert wurde. Als Folge muss das Nitrifikationsbecken weniger belüftet werden, wodurch Energiekosten eingespart werden können.

Bei der vorgeschalteten Denitrifikation ist es i.d.R. nicht möglich, Nitrat vollständig aus dem Abwasser zu entfernen, da der anfallende Schlamm nicht vollständig in die Denitrifikation zurückgeführt werden kann. Dies würde die Durchflusskapazität der Kläranlage überfordern, d.h. die hydraulische Belastung wäre zu hoch. Hierin liegt einer der Nachteile der vorgeschalteten Variante. Außerdem führen die für den Rücklaufschlamm benötigten Pumpen zu hohen Energie- und Investitionskosten. Eine Problemlösung stellt der Einsatz spezieller Rührsysteme dar. Da das Abwasser mit dem Rücklaufschlamm vermischt werden muss, um Konzentrationsunterschiede im Klärbecken zu vermeiden, können diese Rührsysteme auch zum Fördern des Rücklaufschlammes eingesetzt werden. Hierbei wird die Saugkraft der Rührer genutzt und mit der Einsparung der speziellen Förderpumpen werden dementsprechend Energie- und Wartungskosten eingespart.

Simultane Denitrifikation

Die Denitrifikation und Nitrifikation erfolgt im selben Becken in dem wechselnd sauerstoffarme und -reiche Zonen eingerichtet werden. In aeroben Bereichen findet so die Nitrifikation statt und das gebildete Nitrat wird durch Umwälzungsvorgänge in die sauerstofffreien Zonen zur Denitrifikation transportiert. In neueren Kläranlagen wird diese Methode häufig genutzt, da hierbei nur ein Becken für die Stickstoffelimination notwendig ist. Technisch wird dies u.a. auch durch die diskontinuierliche oder punktuelle Sauerstoffzufuhr im Becken gelöst. Ein Teil des anfallenden Schlammes wird in den Zulauf des Beckens zurückgeführt, da der Rücklaufschlamm die benötigten Bakterien enthält und die Schlammflocken als Aufwuchskörper für die Organismen dienen. Außerdem muss aufgrund der langsamen Wachstumsrate der beteiligten Mikroorganismen der Schlamm zurückgeführt werden, um immer eine ausreichende Menge an aktiver Biomasse im Becken zu erhalten. Die Aktivität der Nitrifikanten und Denitrifikanten ist hierbei vom mittleren Schlammalter abhängig. Durch die Schlammrückführung kann man die Biomassekonzentration in Belebungsbecken den schwankenden Belastungen im Abwasser anpassen und somit den Abbau der Stickstoffverbindungen in begrenztem Maße regeln. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass nur ein Becken zur Stickstoffreduzierung benötigt wird. Mit dem Rücklaufschlamm wird aber auch ein hoher Anteil an abgestorbener Bakterienmasse ins Becken zurückgefördert, die keine biologische Aktivität mehr besitzt.

Nachgeschaltete Denitrifikation

Für die nachgeschaltete Denitrifikation werden zunehmend Bioreaktoren eingesetzt. Die biologische, nachgeschaltete Denitrifikation wird überwiegend in sogenannten Biofilm-Reaktoren durchgeführt. Vereinzelt existieren auch Lösungen mittels des Belebungsverfahren, die sich jedoch kaum von der simultanen Denitrifikation unterscheiden. Die Biofilm-Verfahren werden aufgrund ihrer Eigenschaften in Festbettreaktoren und Fließbettreaktoren unterteilt.

Bioreaktoren nehme aufgrund ihrer kompakten Bauweise wesentlich weniger Platz in Anspruch als herkömmliche Reinigungsbecken und können auch in die Höhe gebaut werden. So lassen sich auch vorhandene Kläranlagen, die z. B. über kein großes Platzangebot verfügen, um eine biologische Stufe zur Stickstoffelimination erweitern. Nachteilig erweist sich bei diesen Verfahren die kurze Verweilzeit des Abwassers im Reaktor. Plötzlich auftretende Belastungsstöße bzw. starke Nitrat-Schwankungen können schlechter ausgeglichen werden. Hier sind Belebungsanlagen durch ihre großen Volumina, die als Puffer dienen, im Vorteil.

Bei der im Fall der nachgeschalteten Denitrifikation bereits erfolgten Nitrifikation im Vorfeld wird schon der größte Teil des im Wasser befindlichen Kohlenstoffs abgebaut. Damit die Denitrifikation dennoch erfolgen kann, wird die externe Zugabe einer Kohlenstoffquelle nötig. Dieser Nährstoff muss gezielt dosiert werden, wobei i.d.R. der im Wasser befindliche Nitratgehalt Regelgröße ist. Die Zugabe kann durch unterschiedliche Verfahren realisiert werden. So wird z. B. ein Teil des noch nicht biologisch gereinigten Abwassers vor der Nitrifikationstufe abgezogen und der Denitrifikation zugeben. In diesem Rohwasser befindet sich meistens noch eine hohe Konzentration an gelösten organischen Kohlenstoffverbindungen, die den Bakterien als Nahrungsquelle dienen. Nachteilig ist hierbei jedoch, dass in dem als Nährstoff zugegebenen Wasser Ammonium-Stickstoff vorhanden ist, der nicht in der Denitrifikation abgebaut werden kann. Dies führt wiederum zu einer Erhöhung der Konzentration an Gesamtstickstoff im Ablauf der Kläranlage.

Mit einer Überdosierung der zugegebenen Nährquelle kann bis zu bestimmten Grenzen die Denitrifikationsgeschwindigkeit erhöht werden. Der Zusammenhang kann durch die Michaelis-Menten-Kinetik beschrieben werden. Dabei wird die Umsatzgeschwindigkeit, in diesem Fall die Denitrifikationgeschwindigkeit, über die Substratkonzentration aufgetragen. Ab einer bestimmten Substratkonzentration geht die hyperbolische Kurve in einen Sättigungsbereich über und die maximale Umsatzgeschwindigkeit ist erreicht.

Eine Überdosierung lässt aber auch den BSB-Wert im Abwasser wieder ansteigen, da der organische Kohlenstoff des zugeführten Substrats nicht mehr vollständig abgebaut wird. Da der BSB-Wert des gereinigten Abwassers jedoch ebenfalls nicht zu hoch sein darf, müssen bei der Substratdosierung beide Auswirkungen berücksichtigt werden: Bei Überdosierung wird das Nitrat schneller eliminiert, dies hat eine niedrigere Gesamtstickstoff-Konzentration zur Folge. Andererseits steigt damit wiederum der BSB-Wert an. Der Gehalt an Gesamtstickstoff wie auch BSB sind abgabepflichtig und somit sind beide Parameter ein Kostenfaktor für den Klärwerkbetreiber.

Sukzedane Denitrifikation

Während die Entfernung der organischen Belastung als CSB und BSB in den Kläranlagen keine wesentlichen Schwierigkeiten bereitet, ist es manchmal komplizierter, gleichzeitig die biologische Entfernung von Stickstoff und Phosphaten mit der vorhandenen Kläranlage ohne wesentliche Erweiterungen der Bausubstanz zu erreichen.

Neue umweltbiotechnologische Verfahren, wie beispielsweise die sukzedane Denitrifikation, ein im Institut für Biotechnologie des Forschungszentrums Jülich entwickelter Prozess, erlauben allein durch gezielte Steuerung der biologischen Umsetzungen eine Optimierung der Prozessführung. Das international patentierte Jülicher Abwasserreinigungsverfahren (JARV) ermöglicht ohne umfangreiche bauliche Veränderungen an bestehenden Kläranlagen mikrobiologische Nitrifikation und Denitrifikation und die Vermeidung von Blähschlamm.

Ein weiteres am Institut für Umweltverfahrenstechnik der Universität Bremen entwickeltes Verfahren der kombinierten Nitrifikation und Denitrifikation in einem eigens dafür neu entwickelten Hochleistungsreaktor, dem Membran-Schlauch-Modulreaktor (MSM) ermöglicht die selektive Eliminierung von Stickstoffverbindungen bei hochbelasteten Industrieabwässer oder z.B. auch in der Landwirtschaft.

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